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Zoom Fatigue

Müdigkeit und Frust vor dem Bildschirm vorbeugen – ein Artikel von Nele Merholz und Blanche Fabri

Wer pausenlos von Meeting zu Meeting wechselt, kennt die Gefühle nur allzu gut: Müdigkeit und Frustration über die nie enden wollenden Videokonferenzen und fehlende Konzentration und Energie während der Teilnahme. Zoom Fatigue ist der Begriff für diesen Zustand und bedeutet wörtlich „Zoom Erschöpfung”. Natürlich ist eine solche Müdigkeit nicht auf Zoom begrenzt, sondern kann bei allen Arten von digitalen Konferenzen und Meetings auftreten.
Bildschirmmüdigkeit | Jula Henke für J&K – Jöran und Konsorten unterstützt durch Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), CC BY 4.0

Wie kommt es eigentlich zu einer Bildschirmmüdigkeit? Die Kurzform der Antwort lautet: In Online-Meetings müssen wir pausenlos viele Informationen gleichzeitig aufnehmen und verarbeiten und das in sehr komprimierter Form. Menschen sind schnell erschöpft, weil ihre Aufmerksamkeit ohne Pause beansprucht wird. Es gibt wenige Pausen zum Entspannen, welche in Präsenz durch Kaffeepausen und Smalltalk täglich integriert sind. In Videokonferenzen sehen und hören wir oft viele Gesichter, Stimmen, Geräusche und Hintergründe gleichzeitig – das alles beansprucht viel mehr von unserer Konzentration, als wir von Präsenzsituationen gewohnt sind. Vor allem unter erschwerten Arbeitsbedingungen kann das zur Herausforderung werden: Nicht nur Eltern, die sich nebenbei auf ihre herum tobenden Kinder oder Homeschooling konzentrieren oder Menschen mit bellenden Haustieren sind anderweitig abgelenkt, sondern auch all die anderen Teilnehmenden, die es durch das Video mitverfolgen können.
Wenn wir bei Meetings alleine an unserem Computer sitzen, haben wir außerdem eine Tendenz zum Multitasking. Oft checken wir währenddessen unsere E-Mails, machen Recherchen oder antworten auf Nachrichten. Das bietet zwar möglicherweise die Abwechslung, die wir uns so dringend wünschen, nimmt aber weitere Aufmerksamkeit in Anspruch, die in den Meetings verloren geht.

Auch die technischen Gegebenheiten in Videokonferenzen können zu zusätzlichem Stress führen: Schlechter Ton oder wackelnde Bilder führen zur Verwirrung oder Unterbrechungen; Wiederholungen führen zu Frustration. Wegen der fehlenden Körpersprache passiert es häufig, dass viele der Teilnehmenden durcheinander reden oder sich ins Wort fallen. Es ist unmöglich, gleichzeitig in die Kamera und auf den Bildschirm zu gucken. Außerdem haben wir eine verstärkte Selbstaufmerksamkeit, weil digitale Meetings uns ermöglichen, uns selbst zu sehen. Dies führt dazu, dass wir uns fortwährend selbst beobachten und korrigieren. Und wir sind selber einer ständigen Beobachtungssituation durch Andere ausgesetzt. In Online-Meetings gibt es eben keine letzte Reihe.

Die Kombination dieser vielen Faktoren, die alle Aufmerksamkeit beanspruchen, führt zur Erschöpfung. Obwohl nicht alle Faktoren minimiert werden können, gibt es dennoch die Möglichkeit, der Müdigkeit und dem Frust vorzubeugen. In dieser Checkliste geben wir Tipps für sowohl Teilnehmenden als auch Veranstalter*innen, um Zoom Fatigue zu vermeiden und digitale Veranstaltungen produktiver zu gestalten.

 Checkliste für Online-Veranstalter*innen

  • Variieren beim Programm
    Anders als bei Präsenzveranstaltungen muss das Programm bei einer Online-Veranstaltung nicht unbedingt an einem Stück stattfinden. Für Abwechslung und Auflockerung kann auch eine andere Verteilung der Programmpunkte sorgen, beispielsweise kann statt einer ganztägigen Veranstaltungen für drei Tage mit je zwei Stunden geplant werden.
  • Dauer der Programmpunkte
    Sich immer wiederholende Abläufe oder nicht endende Vorträge machen Menschen müde – man verliert die Aufmerksamkeit. Das gilt in Präsenz-Situationen und genauso im Digitalen. Die Dauer der einzelne Programmpunkte sollte daher nicht zu lange sein. Statt einer langen Keynote bieten sich mehrere kürzere Inputs oder eine Flipped-Keynote (das ist ein aufgezeichneter Vortrag der vorab an die Teilnehmenden verschickt wird) an.
  • Methodenwechsel
    Zwischen längeren Phase von Redebeiträgen, Präsentationen und Diskussionen sollte immer ein Wechsel der Methode / des Formats oder ein kurzes aktivierendes Element eingeplant werden. Dazu bieten sich sowohl kurze Energizer oder Spiele (Beispiele s.u.) in der an, aber auch digitale Murmelrunden oder Diskussionsformate sind geeignet. Natürlich sollte der Wechsel der Methoden nicht selbst Stress und Müdigkeit auslösen. Stattdessen muss ein gesunder Mittelweg gefunden werden.
  • Aktivierung der Teilnehmenden
    Umso aktiver die Teilnehmenden an der Veranstaltung oder dem Programmpunkt mitwirken können, umso „wacher“ werden sie bei der Veranstaltung bleiben. Zu einer aktiven Teilhabe tragen Phasen für Wortmeldungen und Diskussionen bei oder auch das gemeinsame Erstellen einer Dokumentation über ein kollaboratives Dokument.
  • Pausen
    Ausreichend Pausen sind bei Online-Veranstaltungen viel wichtiger als bei ihren Präsenz-Pendants. In Workshops empfiehlt es sich spätestens nach 45 Minuten eine kurze Pause (Mikro-Pause) für die Teilnehmenden einzuplanen. In Plenumsphase kann die Zeitspanne länger dauern, wenn das Programm entsprechend abwechslungsreich gestaltet ist. Nach spätestens 120 Minuten sollte allerdings auch bei dem abwechslungsreichsten Programm eine richtige Pause eingeplant werden.
  • Vernetzung
    Pausen sollten, anders als in Präsenzveranstaltungen, nicht für die Vernetzung verplant werden, sondern dem Teilnehmenden die Möglichkeit bieten eine Bildschirmpause einzulegen. Für die Vernetzung der Teilnehmenden sollte eine zusätzliche Zeit eingeplant werden. Dies kann auch schon im Vorfeld der Veranstaltung, beispielsweise via Messenger-Gruppe, beginnen.
    Abschweifungen und Ablenkungen minimieren
    Man kann die Teilnehmenden zu Beginn der Veranstaltung dazu einladen, mögliche Ablenkungen zu reduzieren, zum Beispiel durch das Ausschalten oder Weglegen von Telefonen oder das Schließen von nicht benötigten Fenstern am Computer. Zum Ausgleich können von vorne herein Ablenkungs- oder E-Mail-Pausen während der Veranstaltung eingeplant und kommuniziert werden.

 Checkliste für die Online-Teilnahme

  • Pausen
    Nutze die Pausen um aufzustehen und das Zimmer zu lüften. Selbst kleine Bewegungen (wie Kniebeugen oder Schultern lockern) helfen, um wieder in Schwung zu kommen und Verspannungen vorzubeugen. Schau einmal bewusst in die Ferne, um Deine Augen zu entspannen. Ernähre Dich leicht und trink ausreichend Flüssigkeit. Gerade wenn man den ganzen Tag am Bildschirm sitzt, kann das leicht in Vergessenheit geraten.
  • Selbstsicht ausschalten
    Viele Videokonferenztools bieten die Möglichkeit, die Selbstsicht (also das eigene Videobild) nur für sich auszustellen. Die anderen Teilnehmenden können einen dann weiterhin sehen. Das ist hilfreich, weil man sich dadurch nicht mehr ständig selbst beobachtet und korrigiert. In Tools, die diese Möglichkeit nicht bieten, sollte man versuchen, sich mehr auf die anderen Teilnehmenden zu konzentrieren und sich nicht selber anschauen.
  • Kamera an
    Obwohl es für viele unangenehm ist, gibt es viele Vorteile, wenn man die Kamera anschaltet. Die eh schon wenig gesehene Körpersprache kann so zumindest ein wenig sichtbar werden, dementsprechend fühlt sich eine Videokonferenz mehr nach einem echten Treffen an. Außerdem fühlt man sich dadurch ein wenig mehr der Veranstaltung „verpflichtet“ und die Gefahr, nebenher etwas anderes zu machen, wird dadurch minimiert.
  • Aktiv dabei sein
    Plane den Besuch der Veranstaltung richtig ein und lege nicht nebenher noch weitere Termine. Bereite Dich auf die Veranstaltung vor und beschäftige Dich mit dem Programm und dem Thema. Überlege im Vorfeld, was Du aus der Veranstaltung mitnehmen möchtest.

 Sammlungen und Links

In diesem letzten Teil stellen wir einige Websites vor, die Materialien oder Anleitungen für interaktive Meetings, Aktivitäten und Pausen anbieten.

  • Auf unserem Padlet „Interaktion und Energizer in Videokonferenzen“ gibt es viele Ideen für abwechslungsreiche Aktivitäten und Spiele. Diese können in Videokonferenzen, Workshops und Meetings genutzt werden, um Veränderung einzubringen, Teilnehmenden zum Reden anzuregen oder das Eis zu brechen.
  • Das kostenlose eBook „Von Analog zu Digital” bietet 35 Anleitungen für Workshop-Methoden, die bei online Events genutzt werden können, um Engagement und Interaktion zu fördern. Das Buch nutzt das IRIVE Workshop Modell (Icebreaker, Ressourcen, Informieren, Verarbeiten und Evaluieren), indem es konkrete Schritte für Aktivitäten und Methoden jeder Stufe eines Workshops beschreibt.
  • Das Hochschulforum Digitalisierung hat in seinem Methodenset zehn Anleitungen für Vertrauenskarten zum Kennenlernen, Wissen teilen, Positionieren, Vertrauen aufbauen und Team bilden veröffentlicht. Des Weiteren gibt es 18 Take-A-Break-Karten, um die Gemeinschaft, Spaß, Kreativität und Bewegung zu fördern. Für jede Karte gibt es eine genaue Anleitung, die erklärt, für welche Zwecke und Gruppen sich die Aktivitäten eignen.
  • Die Website Internetquatsch bietet Inspiration für neue Aktivitäten, Methoden und Online-Tools die genutzt werden können, um Abwechslung ins Meeting zu bringen. Es bietet sich an, die Filterfunktion zu benutzen, um passende Ideen für entspannende, erkundende, experimentelle, kreative, lustige, nerdige oder spielerische Aktivitäten zu finden. Alternativ kann man sich durch die Zufallsauswahl Vorschläge anzeigen lassen.
  • Das Liberating Structures Menü hat eine Sammlung von 30 innovativen Aktivitäten und Ideen, um die Zusammenarbeit in digitalen Meetings zu erhöhen. Während sich manche mehr auf Kommunikation und Unterhaltung fokussieren, helfen andere gezielt beim Networking, Brainstorming, oder Probleme lösen

Dieses Material wurde in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erstellt.

Lizenz

CC BY 4.0 Logo

Urheberinnen dieses Materials: „Blanche Fabri und Nele Merholz / Agentur J&K – Jöran und Konsorten unterstützt durch Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)“ | https://selbstlernen.net | Lizenz zu diesem Material: CC BY 4.0

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